Manifest für Organisationen im Zeitalter komplexer Systeme
Die Erde ist kein Rohstofflager. Sie ist ein lebendiges, komplexes, sich selbst organisierendes System. Über Jahrhunderte hat die Wissenschaft versucht, ihre Geheimnisse in Berechenbarkeit, Planbarkeit und Beherrschbarkeit zu übersetzen. Doch diese Logik stößt an ihre Grenzen: Komplexe adaptive Systeme lassen sich nicht kontrollieren, sondern nur in ihrem Wandel verstehen. Was wir brauchen, ist eine Wissenschaft, die Unsicherheit nicht bekämpft, sondern anerkennt; die Prognosen wagt, ohne Sicherheit zu versprechen; die aufmerksame Anpassung höher bewertet als starre Pläne.
Die Systemtheorie hat uns hierfür wichtige Wegweiser gegeben. Maturana und Varela zeigten im Baum der Erkenntnis, dass Wirklichkeit immer in lebendigen Prozessen der Beobachtung entsteht – Wissen ist nicht Abbild, sondern Teilhabe. Niklas Luhmann verdeutlichte, dass soziale Systeme autopoietisch sind: Sie erhalten und erneuern sich selbst durch Kommunikation. Beide Ansätze erinnern uns daran, dass Organisationen nicht Maschinen sind, die man von außen steuert, sondern lebendige Systeme, die sich aus sich selbst heraus gestalten.
Für Unternehmen bedeutet das: Resilienz wächst nicht durch Kontrolle, sondern durch die Fähigkeit, Lernprozesse und Kommunikation so zu gestalten, dass Neues entstehen kann. Dafür braucht es Menschen mit Visionen – nicht zwingend in formalen Führungsrollen, sondern überall dort, wo Kreativität sichtbar wird. Führung besteht darin, diese Impulse zu erkennen, zu ermutigen und ihre Experimente zu begleiten.
So entsteht eine Organisationskultur, die Unsicherheit nicht als Bedrohung erlebt, sondern als Raum für gemeinschaftliche Handlungsfähigkeit. Resilienz – ob in Wissenschaft, Natur oder Unternehmen – bedeutet, mit Wandel zu ko-evolvieren, statt ihn zu bekämpfen. Indem wir lernen, uns in komplexen Systemen zu bewegen, gewinnen wir die Fähigkeit, Zukunft nicht zu kontrollieren, sondern gemeinsam zu gestalten.
